Man stellt sich Dichter, insbesondere Lyriker, als schweigsame, verschlossene Menschen vor, die über ihren Texten brüten.
Manchmal machen sie aber auch Party. Das nennt man dann Lesung.
Eine derartige Lyrik-Party gab es unter dem Motto „Herzensangelegenheiten“ am Sonntag Nachmittag im Frankfurter YokYok KiosKunst in der Fahrgasse, nahe der neuen Frankfurter Altstadt.
YokYok KiosKunst sieht auf den ersten Blick aus wie ein kleiner netter Laden, in dem es Kaffee und Zigaretten gibt. Auf den zweiten Blick ist es eine schöner Ort für Ausstellungen und Events, den die äusserst engagierte Künstlerin und Galeristin Nina Hurnÿ Pimenta Lima für Nazim Alemdar kuratiert. Aktuell werden hier einige ihrer eigenen Arbeiten ausgestellt: mehr als eine gute Kulisse für kulturelle Veranstaltungen.
An diesem Sonntag luden die drei Frankfurter Verlage, edition federleicht, der Verlag Razamba und der Größenwahn Verlag, zu einer Lese-Party ein. Auf dem Programm standen neun Autoren in knapp zwei Stunden.
Jeder las zwei, maximal drei kurze Texte. Also keine Lesung im engeren Sinn, sondern ein Lesemarathon. Das straffe Programm weist bereits darauf hin, dass es hier lediglich Appetit-Häppchen geben konnte, um bei den interessierten Zuhörern Lust auf mehr Lyrik zu machen.
Aber diese Häppchen hatten es in sich!
Neun Autorinnen und Autoren, das bedeutet neun unterschiedliche Charaktere, neun unterschiedliche Schreibansätze.
Durch die Veranstaltung führte routiniert Elena Hein, eine Mitarbeiterin des Größenwahn Verlags, so als wäre es ihr tägliches Geschäft. Sie gab der Lesung einen Rahmen, indem Sie die Autorinnen und Autoren kurz vorstellte und kurz befragte.
Zwischendurch wurde Tee und Gebäck gereicht.
Im Zentrum und in der zeitlichen Mitte der Veranstaltung las der Georgische Autor Giorgi Lobzhanidze (links im Bild) zwei Texte in Originalsprache, die von Bernhard Bauser (rechts im Bild) in der deutschen Übersetzung kongenial vorgetragen wurden:
„Das Herz posten“ und einen Auszug aus „Die Fliege“
Die Autorinnen und Autoren im Überblick:
Tamara Labas
Auszug aus „UMBRA NATUR“ in zwoelf
die spätsommerliche sonne
auf meiner entblößten haut
auf der gänseblümchenwiese
deine hände gleiten
zwischen den grashüpfer
über die saiten der gitarre
töne berauschen
mit zärtlichster leidenschaft
Elisaveta Kuryanovich (website: https://www.elizaveta-kuryanovich.de/)
Auszug aus: „Du bist der Himmlische Ich bin die Wolkige“
Wenn der Himmel mich umarmt
Wenn er mich blauäugig anschaut
Weiß ich bin ich weiß
Eine gewölbtäugige WolkeRandnarben in Wasserfarben
schmelzen, schmelzen in Dich hinein
mit jedem kurzen
Atemzug
mit jeder raschen
AtemraketeWolken-Himmel-Cocktail
Wind-gemischt
für Liebesdürstende
Thomas Berger (website: www.autor-thomas-berger.de)
aus dem Gedicht SERENADE:
Ich steh
vor Deinem Fenster
schon manche lange Nacht.
Hört
Luna nur
mein einsam Lied?
aus dem Gedicht „SEHNLICH“:
Komm
in den Schatten.
Sprich leise
zu mir.
Horch
auf den Wind
im Bambushain.
Ingrid Walter
Auszug aus Eine ungeplante Reise nach Wien:
In jener Nacht wär‘ ich so gern vor Verlangen
unter Deinen Händen zergangen
wie langsam erhitzte Zartbitterschokolade,
doch du warst ohne Gnade.Mit deinen Beinen warst du an meinen
Und deine Fingerspitzen spielten
an den Zackenlitzen meiner Haut
die so vertraut dir entgegenbebte
nie fühlte ich mehr, dass ich lebte.
Katharina Eismann (website: http://www.katharinaeismann.de)
aus dem Gedicht „Herz ohne Land“
…im Gepäck ein Apfel, aufgestaute Granate
aus dem offenherzigen Offenbach
mir tropft die Lyrik aus der Bluse
die Geografie meiner Zunge ist heimatlos
Bernhard Bauser (Website: http://bernhardbauser.de/)
esperanto
keep cool
esperanto ist nicht
das ende
der sprachen
j’espère – ich hoffe
oder ein anfang
es ginge ja
perdu
der klang
verloren – lost
der vielen sprachen
esperanto sei
die hoffnung
aufs ende
der missverständnisse
je vous en prie
ein Zeichen
sprache
die uns einte
cosmopolitans
Joachim Durrang
Meine Hose war eine Aschentonne
um die die Zigarre in meinen Fingern
strich wie Diogenes im Urlaub
In die von Flugzeugen zerrissene Luft
schrieb ich Gedichte
die ich alle ins Internet warf
als mein Schuh an einen
Stein kickte und der flog
wie ein erlösender Moment
Francisco Cienfuegos
Aus dem Gedicht „Kehrtwende“ im Lyrikband und bricht das herz die einsamkeit?:
Die Nacht bricht nicht
den Tag entzwei
es ist nur die Erde, die sich wendet
um nicht in Dunkelheit
zu verblenden…um in der Drehung
zur anderen Seite hin
die umgestülpte Morgenhaut
anzufeuchten…allein in Einsamkeit versunken
kann aber das Herz
trotzdem wie ein Planet sein
der sich hin zum Klang dreht
um wieder neu zu leuchten